Die Bundesregierung hat den Regierungsentwurf für das Jahressteuergesetz 2022 verabschiedet, mit dem auch Teile des neuen Entlastungspakets im Steuerrecht umgesetzt werden.
Nachdem das Bundesfinanzministerium im August den Referentenentwurf für das Jahressteuergesetz 2022 vorgelegt hat, kam schon im September der überarbeitete Regierungsentwurf. Darin hat die Bundesregierung verschiedene Maßnahmen aus ihrem dritten Entlastungspaket und weitere Ergänzungen eingearbeitet. Das Gesetz ist wie jedes Jahressteuergesetz ein Omnibusgesetz mit entsprechend großem Umfang: 178 Seiten umfasst der Regierungsentwurf – 36 Seiten mehr als der erste Gesetzentwurf. Bundestag und Bundesrat sollen den Entwurf nun beraten und bis Mitte Dezember verabschieden. Auf die deutschen Steuerzahler kommen dann zahlreiche Änderungen im Steuerrecht zu. Darunter sind Anpassungen an EU-Recht sowie Reaktionen auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesfinanzhofs. Neben vielen solcher Detailänderungen, Anpassungen aufgrund von vorangegangenen Gesetzesänderungen und Fehlerkorrekturen gibt es auch eine ganze Reihe substanzieller Änderungen. Mehr als die Hälfte der veranschlagten Steuermindereinnahmen durch das Gesetz entfällt auf nur eine Änderung, nämlich die Vorziehung der vollen steuerlichen Abziehbarkeit von Rentenbeiträgen. Hier sind alle wichtigen Änderungen durch das Jahressteuergesetz 2022 im Überblick: Home Office-Pauschale: Die Home Office-Pauschale in Höhe von 5 Euro pro Tag, die bisher bis Ende 2022 befristet ist, bleibt dauerhaft bestehen. Außerdem wird der maximale Abzugsbetrag von 600 Euro auf 1.000 Euro pro Jahr angehoben, was einer beruflichen Tätigkeit im Home Office an 200 Tagen im Jahr entspricht.
Wer mehrere Tätigkeiten im Home Office ausübt, muss sowohl die Tagespauschale als auch den Höchstbetrag auf die verschiedenen Tätigkeiten aufteilen. Ein mehrfacher Ansatz der Pauschale ist also nicht zulässig. Dafür ist der Abzug der Home Office-Pauschale unabhängig davon möglich, ob die Tätigkeit in einer Arbeitsecke oder im häuslichen Arbeitszimmer erfolgt und unabhängig davon, ob es der Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit ist oder ein anderer Arbeitsplatz existiert. Häusliches Arbeitszimmer: Wer ein häusliches Arbeitszimmer steuerlich geltend machen kann, muss sich ab 2023 ebenfalls auf Änderungen einstellen. Wenn kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht, wird der bisherige Höchstbetrag von 1.250 Euro in eine Jahrespauschale umgewandelt, die unabhängig vom Nachweis der tatsächlichen Kosten steuerlich abziehbar ist. Die Jahrespauschale ist raumbezogen, muss also aufgeteilt werden, wenn das Arbeitszimmer für mehrere Tätigkeiten desselben Steuerzahlers oder von mehreren Personen im selben Haushalt genutzt wird. Ist das Arbeitszimmer der Mittelpunkt der gesamten Betätigung, können wie bisher die Aufwendungen in voller Höhe als Betriebsausgaben oder Werbungskosten geltend gemacht werden.
Der Steuerzahler kann hier zwischen der Jahrespauschale und dem Ansatz der tatsächlichen Kosten wählen. Allerdings sind die Kosten des Arbeitszimmers in solchen “Mittelpunktsfällen” nur noch dann steuerlich abziehbar, wenn außerdem für die darin ausgeübten Tätigkeiten dauerhaft kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht.
Andernfalls bleibt nur der Ansatz der Home Office-Pauschale für die Tage, in denen die Arbeit im häuslichen Arbeitszimmer ausgeübt wird. Gebäudeabschreibung: Der jährliche lineare AfA-Satz für nach dem 30. Juni 2023 fertiggestellte Gebäude, die Wohnzwecken dienen, wird von 2 % auf 3 % der Anschaffungs- oder Herstellungskosten angehoben und damit der Abschreibungszeitraum von bisher 50 auf 33 Jahre verkürzt. Im Gegenzug wird die Ausnahmeregelung aufgehoben, nach der bisher in begründeten Ausnahmefällen der Abschreibungszeitraum nach einer tatsächlich kürzeren Nutzungsdauer bemessen werden kann.
Aufgrund der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs gab es hier nämlich immer mehr Anträge auf eine verkürzte Abschreibungsdauer. Die generelle Verkürzung soll daher Bürokratieaufwand reduzieren. Die Ausnahmeregelung gilt allerdings weiterhin für Gebäude, für die bereits vor 2023 die Abschreibung aufgrund einer kürzeren Nutzungsdauer vorgenommen wurde. Pech haben also alle Immobilieneigentümer, die im kommenden Jahr eine Bestandsimmobilie erwerben oder deren Gebäude nach dem Jahreswechsel, aber vor dem 30.
Juni 2023 fertiggestellt wird. Photovoltaikanlagen I: Ab 2023 werden verschiedene steuerliche und bürokratische Hürden bei der Installation und dem Betrieb von Photovoltaikanlagen abgebaut. Dazu wird eine Ertragsteuerbefreiung für Einnahmen aus dem Betrieb von Photovoltaikanlagen bis zu einer Bruttonennleistung von 30 kWp auf Einfamilienhäusern und Gewerbeimmobilien bzw. 15 kWp je Wohn- und Gewerbeeinheit bei Mehrfamilienhäusern, gemischt genutzten Immobilien und anderen überwiegend zu Wohnzwecken genutzten Gebäuden eingeführt.
Insgesamt sind pro Steuerzahler oder Mitunternehmeranteil höchstens 100 kWp von der Steuerbefreiung umfasst. Die Steuerbefreiung ist dabei unabhängig von der Verwendung des erzeugten Stroms. Werden in einem Betrieb nur steuerfreie Einnahmen aus begünstigten Photovoltaikanlagen erzielt, muss kein Gewinn mehr ermittelt und damit auch keine Anlage EÜR mehr abgegeben werden. Bei vermögensverwaltenden Personengesellschaften führt der Betrieb von Photovoltaikanlagen, die die begünstigten Anlagengrößen nicht überschreiten, nicht zu einer gewerblichen Infektion der Vermietungseinkünfte. Damit können künftig auch vermögensverwaltende Personengesellschaften auf ihren Mietobjekten Photovoltaikanlagen von bis zu 15 kWp je Einheit (max.
100 kWp) installieren und ihre Mieter mit selbst produziertem Strom versorgen, ohne steuerliche Nachteile befürchten zu müssen. Photovoltaikanlagen II: Für die Lieferung und Installation sowie für den innergemeinschaftlichen Erwerb und die Einfuhr von Photovoltaikanlagen und Stromspeichern fällt ab 2023 keine Umsatzsteuer mehr an. Damit entfällt der Vorsteuerabzug als Grund für einen Verzicht auf die Kleinunternehmerregelung, weil die Lieferung von Photovoltaikanlagen ohnehin nicht mehr mit Umsatzsteuer belastet ist. Die Kleinunternehmerregelung ist für die Betreiber einer Photovoltaikanlage somit künftig in der Regel nicht mehr mit finanziellen Nachteilen verbunden. Da auch die Installation einem Nullsteuersatz unterliegt, müssen Anbieter künftig auch nicht zwischen Lieferungs- und Dienstleistungselementen abgrenzen. Voraussetzung für die Anwendung des Nullsteuersatzes auf Photovoltaikanlagen ist, dass die Anlage auf oder in der Nähe von Wohnungen oder von Gebäuden, die für dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten genutzt werden, installiert wird. Zur Vereinfachung gilt diese Voraussetzung als erfüllt, wenn die installierte Bruttoleistung der Photovoltaikanlage nicht mehr als 30 kWp beträgt. Die Regelung verhindert in einem Großteil der Fälle, dass sich der Lieferant beim Käufer über die Nutzungsart des Gebäudes informieren muss, um den korrekten Steuersatz anzuwenden, während ihm die Leistung der gelieferten Anlage in der Regel bekannt sein dürfte. Bewertungsrecht: Im Bewertungsgesetz werden durch das Jahressteuergesetz 2022 zahlreiche Änderungen vorgenommen und insbesondere die Regelungen zur Verkehrswertermittlung an die neue Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) angepasst. Mit den ab 2023 anzuwendenden Änderungen werden das Ertrags- und Sachwertverfahren zur Bewertung bebauter Grundstücke sowie die Verfahren zur Bewertung in Erbbaurechtsfällen und Fällen mit Gebäuden auf fremdem Grund und Boden an die geänderte ImmoWertV angepasst.
Damit soll sichergestellt werden, dass die von den Gutachterausschüssen ermittelten sonstigen für die Wertermittlung erforderlichen Daten weiterhin bei der Grundbesitzbewertung für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer sowie Grunderwerbsteuer sachgerecht angewendet werden können. Durch die Änderungen können sich im Einzelfall empfindlich höhere Bewertungsansätze für Immobilien ergeben. Wer eine vorweggenommene Erbfolge noch zu den alten Werten realisieren will, muss dies daher bis zum Jahreswechsel vollzogen haben. Darüber hinaus erfolgen Anpassungen an die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sowie an die bisherige Auffassung der Finanzverwaltung. Altersversorgung: Der bisher erst für das Jahr 2025 vorgesehene vollständige Sonderausgabenabzug für Altersvorsorgeaufwendungen wird aufgrund der Urteile des Bundesfinanzhofs zur Doppelbesteuerung von Renten auf das Jahr 2023 vorgezogen. Die vollständige Abzugsfähigkeit ab 2023 hat zur Folge, dass sich die abzugsfähigen Altersvorsorgeaufwendungen im Jahr 2023 um 4 % und im Jahr 2024 um 2 % erhöhen. Kurzfristige Beschäftigung: Nicht zuletzt wegen der Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns wird ab 2023 die Arbeitslohngrenze für die Pauschalversteuerungsoption bei kurzfristiger Beschäftigung von 120 Euro auf 150 Euro je Arbeitstag angehoben. Sparer-Pauschbetrag: Der Sparer-Pauschbetrag wird wie im Koalitionsvertrag vorgesehen ab 2023 von 801 auf 1.000 Euro für Alleinstehende und bei Zusammenveranlagung von 1.602 auf 2.000 Euro erhöht. Um die Anhebung des Pauschbetrags möglichst einfach zu halten, werden bereits erteilte Freistellungsauträge automatisch um knapp 25 % erhöht. Ausbildungsfreibetrag: Der Freibetrag für den Sonderbedarf eines auswärtig untergebrachten volljährigen Kindes in Berufsausbildung, für das Anspruch auf Kindergeld besteht, wird ab 2023 von 924 Euro auf 1.200 Euro je Kalenderjahr angehoben. Grundrentenzuschlag: Der Grundrentenzuschlag soll die Lebensleistung von Menschen anerkennen, die mit einem unterdurchschnittlichen Einkommen langjährig in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert waren. Dieser Zuschlag soll rückwirkend ab 2021 steuerfrei gestellt werden.
Spitzensteuersatz 2007: Zur Umsetzung der Vorgaben eines Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts wird die Begrenzung des Spitzensteuersatzes auf 42 % für die Gewinneinkünfte des Jahres 2007 rückwirkend aufgehoben. Damit gilt für die wenigen noch offenen Veranlagungsfälle aus dem Jahr 2007 auch für Gewinneinkünfte ab einem Einkommen von 250.000 Euro (Einzelveranlagung) bzw. 500.000 Euro (Zusammenveranlagung) die “Reichensteuer” von 45 %.Öffentliche Leistungen: In der Abgabenordnung wird eine Rechtsgrundlage geschaffen, um einen direkten Auszahlungsweg für öffentliche Leistungen über die steuerliche Identifikationsnummer aufzubauen.
Dadurch soll eine bürokratiearme und betrugssichere Möglichkeit entstehen, öffentliche Leistungen wie das Klimageld direkt an die Bürger auszuzahlen. Zu diesem Zweck wird eine rechtliche Grundlage für die Speicherung einer Kontoverbindung (IBAN) aller in Deutschland gemeldeten Bürger in der IdNr-Datenbank geschaffen. Die in der IdNr-Datenbank gespeicherte IBAN unterliegt dabei einer engen Zweckbindung.